Wie kommt die Seele in den Körper? 

 

Als es noch keine Naturwissenschaften im heutigenSinne gab, haben griechische Philosophen bereits viele der Fragen, die später von den Wissenschaften gelöst wurden, gestellt und in spekulativer Weise beantwortet. Man denke z. B. an die vier Elemente, Wasser, Erde, Luft und Feuer, aus denen alle materiellen Dinge bestünden. Diese Vorstellung hielt sich bis in das 17te Jahrhundert. Gegen dessen Ende wurden mit de Clave und Boyle die ersten ernsthaften Zweifel an dieser Lehre formuliert und damit die Grundlage für die moderne Definition der chemischen Elemente durch Lavoisier Ende des 18ten Jahrhunderts gelegt.

Ein weiteres Beispiel ist das geozentrische Planetensystem. Das Modell des Ptolomäos (ca. 130 n.Chr.) beschreibt in etwa die scheinbare Bewegung der Planeten, der Sonne und des Mondes, krankt aber an der Vorstellung, dass die Bahnen himmlischer Körper im damaligen Sinne perfekt zu sein hatten, d.h. auf Kreisbahnen zurückführbar sein mussten. Außerdem waren viele Philosophen und Astronomen jener Zeit der Überzeugung, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums sei. Das heliozentrische System, vorgeschlagen von Kopernikus, präzisiert von Kepler und physikalisch erklärt von Newton ist weitaus einfacher und nachprüfbar korrekt.

Trotzdem, die griechischen Denker verdienen unsere Hochachtung: Sie stellten die richtigen Fragen und gingen diese dann sachlich rational an, anstatt sich mit religiösen Mythen zufrieden zu geben. Dass die philosophisch-spekulative Antworten durch die exakten Wissenschaften korrigiert wurden, ist ein Beweis dafür, dass die Fragen richtig gestellt waren. Zuweilen waren die Antworten auch im Prinzip richtig. So hat z.B. Eratosthenes den Erdumfang um etwa 270 v.Chr. auf Grund seiner Messungen mit einer Abweichung von nur etwa 4% richtig bestimmt! Aristarch von Samos hatte zu etwa gleicher Zeit bereits das Heliozentrische System vorgeschlagen. Seine Schriften sind der Zerstörung der Bibliothek von Alexandria durch die Christen (391 n. Chr.) auf Anordnung Theodosius (des Großen) und durch die Muslime (642 n. Chr.) im Auftrag des Kalifen Omar zum Opfer gefallen, und damit wissen wir leider nichts über Aristarchs Argumente für dieses Modell.

Ähnlich haben griechische Philosophen, z.B. auch Aristoteles, darüber nachgedacht, wie sich lebendige Materie, d.h. Pflanzen, Tiere und Menschen, prinzipiell von unbelebter Materie unterscheidet.  Ihre Antwort war, Wesen sind lebendig dadurch, dass sie eine Seele haben. Je nach Entwicklungsstand des Wesens postulierte Aristoteles verschiede Arten von Seelen: Eine vegetative Form war für den Stoffwechsel und die Fortpflanzung zuständig – alle Wesen hatten zumindest diese Form.  Die nächste Art war für die Bewegung und Gefühle zuständig – diese kam bei den Tieren dazu. Schließlich gab es noch die Seele der Ratio, die dem Menschen vorbehalten war.  Diese philosophischen Spekulationen hatten zunächst nichts mit Religion zu tun, sondern versuchten das Geheimnis des Lebens zu erklären. Dass eine Form von Seelenglauben auch in der griechischen Religion eine Rolle spielte, erkennt man an der Vorstellung, dass Verstorbene im Hades als „Schatten“ weiterlebten.

Das Konzept „Seele“ wurde vom Christentum übernommen und ist noch heute, zumindest in der katholischen Kirche, dogmatisch verankert.  Im Katechismus von 1997 heißt es in Abschnitt 366:

366 Die Kirche lehrt, daß jede Geistseele unmittelbar von Gott geschaffen ist [Vgl. Pius XII., Enz. ,,Humani generis" 1950: DS 3896; SPF 8.]- sie wird nicht von den Eltern ,,hervorgebracht" - und daß sie unsterblich ist [Vgl. 5. K. im Lateran 1513: DS 1440.]: sie geht nicht zugrunde, wenn sie sich im Tod vom Leibe trennt, und sie wird sich bei der Auferstehung von neuem mit dem Leib vereinen.

Der vorhergehende Abschnitt im Katechismus ist zum Verständnis dieses Konzepts m. E. nicht sehr hilfreich, er lautet:

365 Die Einheit von Seele und Leib ist so tief, daß man die Seele als die ,,Form" des Leibes [Vgl. K. v. Vienne 1312: DS 902.]zu betrachten hat, das heißt die Geistseele bewirkt, daß der aus Materie gebildete Leib ein lebendiger menschlicher Leib ist. Im Menschen sind Geist und Materie nicht zwei vereinte Naturen, sondern ihre Einheit bildet eine einzige Natur.

Ich möchte nun die beiden Abschnitte Satz für Satz auf ihre Aussagen hin untersuchen, beginnend mit Abschnitt 366: Den Begriff „Geistseele“ fasse ich dabei als synonym für Seele auf und frage mich, warum der Autor nicht bei einem Wort, z.B. „Seele“, bleibt; will der Verfasser damit kundtun, dass er als Experte perfektes Wissen besitzt und sich ein genaues Bild dieser Wesenheit machen kann?

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