Bevor wir das Alte Testament verlassen, wollen wir noch einen kurzen Blick auf das „Gesetz“ (2.Moses 21:1 – 23:33) und das Buch Josua werfen. Die Vorschriften, die Moses von Gott erfährt und an sein Volk weitergibt, fallen durch Ihre drakonische Härte auf. Wir finden dort unter anderem den viel zitierten Satz Auge um Auge, Zahn um Zahn (21:24) oder auch wer seinem Vater oder seiner Mutter flucht, soll gewißlich getötet werden (21:17). Dann findet man dort den Satz, Eine Hexe sollst du nicht leben lassen (22:18).  In einigen Übersetzungen heißt es „Zauberin“ anstatt „Hexe“, das aber ändert nichts daran, dass dieser Satz jene unmenschlichen Praktiken der Hexenverbrennungen des Mittelalters und der Zeit bis zur Aufklärung ausgelöst hat. Es waren die Freidenker der Aufklärung und nicht das Christentum, denen wir unsere Vorstellungen von Humanität und unser moralisches Gewissen verdanken. Nun zu Josua: Jeder kennt die Geschichte, wie die Mauern von Jericho durch den Posaunenlärm einstürzten, und die Stadt den Israeliten anheim fiel. Weniger bekannt ist, dass dann alle Bewohner Jerichos: Männer Frauen, Greise und Kinder und ihr Vieh auf Gott Javehs Anordnung niedergemetzelt wurden. Nur Rahab, die Hure, und Ihre Angehörigen wurden verschont, weil sie die Spione Josuas zu deren Schutz versteckt gehalten hatte (Josua 5:13 – 6:23).  Das nächste Opfer war das Volk von Ai, und auch hier ordnete Javeh an, was man heute Völkermord nennen würde (Josua, 8:1-2) nämlich die gleiche Behandlung, die Jericho widerfuhr, die Ermordung aller Bewohner. Die Landnahme der Israeliten ging in ähnlicher Weise weiter.

 

Die heilige Schrift, das neue Testament

Wir kommen zum neuen Testament, dem Leben und der Lehre Jesu Christi. In seinem Essay „Warum ich kein Christ bin“ weist Bertrand Russell auf Lehren Jesu hin, die seiner Meinung nach von Christen trotz oder wegen ihres hohen moralischen Anspruchs selten beherzigt werden, z.B. Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet und Wer dich um etwas bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, von dem wende dich nicht ab, andererseits hat Russell aber auch Zweifel an der Vollkommenheit Jesu. Er kommentiert zwei Bibelstellen, Zitat: “Da ist die Begebenheit mit den Gadarener Säuen, wo es den Schweinen gegenüber gewiss nicht sehr nett war, die Teufel in sie fahren zu lassen, so dass sie den Hügel hinab ins Meer stürmten. Sie müssen bedenken, dass er allmächtig war und die Teufel einfach hätte fortschicken können; aber er zog es vor, sie in die Säue fahren zu lassen. Sie erinnern sich sicher auch an die seltsame Geschichte vom Feigenbaum, von der ich nie wusste, was ich davon halten solle. ‚Des anderen Tages aber, da sie von Bethanien weggingen, hungerte ihn. Er sah von ferne einen Feigenbaum, der Blätter hatte, und ging hinzu, ob er wohl etwas an ihm fände. Als er aber hinzukam, fand er nichts als Blätter, denn es war nicht Feigenzeit. Niemals esse jemand wieder eine Frucht von dir in Ewigkeit! ... Und Petrus ... sagte zu ihm: Meister, sieh, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt.’  Das ist eine sehr eigenartige Geschichte, weil man dem Feigenbaum wirklich keinen Vorwurf daraus machen konnte, dass es nicht die rechte Jahreszeit für Feigen war.“

 

Ein weitere Geschichte, in der Jesus einen recht unschönen nationalistischen Chauvinismus an den Tag legt, sei hinzugefügt (Matthäus 15:21ff): „Und Jesus ging aus von dannen und entwich in die Gegenden von Tyrus und Sidon; und siehe, ein kananäisches Weib, das von jenen Grenzen herkam, schrie zu ihm und sprach: Erbarme dich meiner, Herr, Sohn Davids! Meine Tochter ist schlimm besessen. Er aber antwortete ihr nicht ein Wort. Und seine Jünger traten herzu und baten ihn und sprachen: Entlasse sie, denn sie schreit hinter uns her. Er aber antwortete und sprach: Ich bin nicht gesandt, als nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Sie aber kam und huldigte ihm und sprach: Herr, hilf mir! Er aber antwortete und sprach: Es ist nicht schön, das Brot der Kinder zu nehmen und den Hunden hin zu werfen.“ Trotz dieser erlittenen Beleidigung demütigt sie sich weiter: „Sie aber sprach: Ja, Herr; denn es essen ja auch die Hündlein von den Brosamen, die von dem Tische ihrer Herren fallen.“ Erst jetzt gibt Jesus nach: „Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: O Weib, dein Glaube ist groß; dir geschehe, wie du willst. Und ihre Tochter war geheilt von jener Stunde an.“

 

Nun gibt es noch einen grundsätzlichen und nicht unbedingt unreligiösen Einwand gegen die christliche Vorstellung, dass Gott zur Erlösung der Welt einen seiner Söhne (1.Moses 6:4)5) mittels einer jungen Frau zum Menschen werden und später in grausamster Weise hinrichten lässt. Es ist für viele eine Zumutung, glauben zu sollen, dass dem allmächtigen Gott kein anderer Weg zur Erlösung der Menschheit, falls diese denn zu jener Zeit unbedingt erlöst werden musste, zu Gebote stand. Jedenfalls werden Juden und Muslime, von anderen Religionen ganz zu schweigen, diesem Einwand sicherlich zustimmen.

 

5) In jenen Tagen waren die Riesen auf der Erde, und auch nachher, als die Söhne Gottes zu den Töchtern der Menschen eingingen und diese ihnen gebaren. Das sind die Helden, welche von alters her waren, die Männer von Ruhm gewesen sind.

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